VorleseabendGestern fand im Raum der Begegnung des Hauses St. Josef ein Vorleseabend statt. Gelesen wurde der Essay der dänischen Autorin Janne Teller „Krieg – stell dir vor, er wäre hier“. Ingo Müller, Fachbereichsleiter der Gruppen für umF, erläuterte dem zahlreichen Publikum die Thematik. Er verwies auf die aktuelle Flüchtlingsbewegung, weltweit sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Er forderte die Anwesenden auf die Flüchtlingssituation einmal aus der Perspektive der Flüchtlinge zu betrachten und durch diesen Perspektivwechsel, man stelle sich vor, man ist selber auf der Flucht, muss Heimat, Familie und Freunde verlassen, weil durch Krieg und Terror Leib und Leben in Gefahr ist, einen neuen Blick und ein Gespür  für die Asylsuchenden zu bekommen!

Janne Teller, deren Familie selber im 2. Weltkrieg aus Deutschland nach Dänemark geflohen, schrieb ihren Essay im Jahre 2010 und überrascht heute mit der Topaktualität in diesem Thema. Sie schrieb ihn damit wir, die sich Gott sei Dank heute nicht mehr vorstellen können, wie es sein könnte, dass im Europa des 21. Jahrhunderts ein irrsinniger Krieg herrscht, der die Menschen in die Flucht zwingt. Ihre Absicht liegt darin „Die Vorstellung das eigene Leben könnte sich in ein Flüchtlingsdasein verwandeln, kommt der von einem Leben auf dem Mars gleich. Deshalb schrieb ich diesen Essay, als eine Einladung, sich in das Leben als Flüchtling hineinzudenken. Nicht aus dem Blickwinkel der Flüchtlinge, die von weit her nach Dänemark kommen, sondern mit Blick auf einen Dänen, deren eigenes, sicheres Leben durch einen hoffentlich undenkbaren Krieg zwischen den skandinavischen Ländern völlig zerstört wird“ (Zitat aus dem Essay S.56.).

Die Autorin beschreibt eindrucksvoll und bewegend die fiktive Flucht aus Deutschland nach Ägypten, das die europäischen Flüchtlinge aufnimmt. Sie zeigt die Schwierigkeiten und Herausforderungen der Flucht, das Gefühl des Alleinseins und des ständigen Neubeginns den die Flüchtlinge immer wieder durch neue Situationen und Entscheidungen im Aufnahmeland  erfahren. Die Herausforderung der Integration sowohl durch die Bevölkerung des Aufnahmelandes, aber auch der eigenen Fähigkeit sich zu integrieren, werden so real geschildert, dass man ein starkes Gefühl für die zu uns kommenden Menschen bekommt und ihre Unsicherheit, Ängste und Zweifel im eigenen Körper spürt.

HeimatHerr Müller transportierte das Thema in seiner Einleitung dann noch ins heutige Deutschland. Vorgelesen wurde der Essay von sieben Jugendlichen, die im Haus St. Josef leben. Darunter sechs junge Menschen, die nach ihrer Flucht aus ihren Heimatländern, Guinea, Nigeria, Syrien, Afghanistan, Elfenbeinküste  ein sicheres Zuhause bei uns gefunden haben. Sie sind erst zwischen 4 und 12 Monaten bei uns und beindruckten mit ihren schon sehr guten Deutschkenntnissen. Sie lasen den Text flüssig vor und durch ihre Persönlichkeit wurde der Essay so real, so dass man das Gefühl hatte, es wäre ein Tatsachenbericht.

Nach dem bewegenden und beindruckenden Vorleseabend schloss die Veranstaltung noch mit einem selbst geschrieben Rapsong eines afghanischen  Jungen, der in seiner Muttersprache das Thema Flucht, Heimat und Familie zum Inhalt hatte.  (JW)